Informationsveranstaltung zum Thema „Investition Herdenschutz Wolf“

Schleching –  Seit dem 29. Juli war es amtlich!  Die Schafsrisse in Reit im Winkl und Kössen Ende Juni wurden  von ein und demselben Wolf verursacht. Eine Genanalyse hat ergeben, dass der Wolf aus Südosteuropa stammt, aus einer sogenannten Dinarischen Population. Ein Tier aus dieser Region (Slowenien, Kroatien) ist das erste Mal in Deutschland aufgetaucht. Wie das Bayerische Landesamt für Umwelt bestätigte, handelt es sich um ein männliches Tier, das den „Namen“ GW1706m erhalten hat.
Die Bezirksalmbauern Maria König und Georg Hacher hatten die Almbauern der Bezirke Schleching und Grassau  zu einer Informationsveranstaltung über das brandaktuelle Thema „Wolf“ in den Landgasthof Post in Schleching eingeladen. Alle sollten über den momentanen  Stand der Entwicklung und Möglichkeiten für die Almbauern informiert werden. Wie das Thema „Wolf“ unter den Nägeln brennt, konnte an dem zahlreichen Besuch der Almbauern gemessen werden.
Georg Hacher musste als erstes mitteilen, dass die angekündigte Teilnahme einer Mitarbeiterin des Landesamtes für Umweltschutz, LfU kurzfristig abgesagt wurde, was mit Missfallens-Kundgebungen kommentiert wurde.
Josef Glatz vom AVO berichtet
Der Vorsitzende des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern e.V., kurz AVO, Josef Glatz, berichtete von den vielen Aktivitäten in diesem Jahr zu diesem Thema. Er forderte die Fürsorgepflicht vom Staat und gab zu bedenken, dass es  immer schwerer wird, junge Menschen davon zu überzeugen,  auf den Almen weiter zu arbeiten und sie so zu erhalten. Seiner Meinung nach, sind Almen nicht mit Zäunen zu schützen,  es müssen andere Wege gefunden werden, am besten gemeinsam mit den Almbauern, die ihre Meinungen und Erfahrungen einbringen sollen.
Er forderte mehr Respekt für die Almbauern und ihre Arbeit von den Politikern und der Bevölkerung.
Almfachberater klärt über Fördermöglichkeiten auf
Almfachberater Alfons Osenstätter vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, kurz AELF aus Traunstein gab einen Überblick über die Förderrichtlinie der  „Investition Herdenschutz Wolf“ vom Freistaat Bayern.
Offensichtlich sahen die Almbauern schon in der Präambel hierzu reichlich Zündstoff.  Sätze wie, dass durch das Programm „die Akzeptanz bei Haltern von Nutztieren für wildlebende Wölfe in Bayern möglichst gesteigert werden soll“ traf nicht auf Zuspruch. Weiter wird jedoch in der Einführung  bestätigt, dass die Weidetierhaltung standhalten soll für den Erhalt der Kulturlandschaft.
Investitionen für mobile Elektrozäune und elektrifizierte Festzäune sowie mobile Ställe (nur für Schafe und Ziegen) können gefördert werden, erklärte der Almfachberater gab aber zu bedenken, dass ein Antrag eine Zweckbindung für zehn Jahre bei Festzäunen beinhaltet, ob der Wolf dann noch da ist oder nicht. Es ist für den notwendigen Unterhalt, Kontrolle und Pflege zu sorgen.  Die nicht unerheblichen  Kosten für die Zäune  müssen vom Landwirt vorgestreckt werden.  Auch Osenstätter war der Meinung, dass die Kulisse Alm wahrscheinlich „nicht  zumutbar zäunbar“ ist.
Ein Antragsformular zur Förderung wurde auf die Leinwand projiziert und zeigte, dass die Ausfüllung sicher nicht so einfach erledigt werden kann.
Einteilung in schützbare und nicht schützbare Gebiete  
Der Geschäftsführer des AVO, Hans Stöckl, klärte über die Einteilung in „schützbare und nicht schützbare Gebiete“ auf. In einem „nicht schützbaren Gebiet“ wie zum Beispiel einer Alm, würde der Landwirt  laut „Aktionsplan Wolf“ bei Schäden an einem Nutztier durch den Wolf eine Ausgleichszahlung erhalten.  
Also war die nächste große Frage „wie erfolgt diese Einteilung?“  Stöckl erklärte, dass per PC-Auswertung die Parameter Hangneigung, Boden, Waldweide, Weiderechtsbezirk und Lawinen berücksichtigt werden. Landwirte können dann die  Überprüfung der Einstufung fordern, wenn Gewässer oder Wege kreuzen oder ein Einsprung vorhanden ist. Geländemitarbeiter prüfen dann im Gelände vor Ort und stufen es gegebenenfalls neu ein.
Diese beschriebene Gebietseinteilung steht leider für die Landkreise Rosenheim und Traunstein noch aus. Pilotprojekte gibt es in Garmisch und Nordbayern, aber noch keine Datenfreigabe. Der AVO fordert eine Einteilung der Gebiete noch in 2020 und bei Übergriffen sofortige Festlegung ob schützbar oder nicht schützbar, was aufgrund der vorhandenen Daten zeitnah möglich wäre. Handelt es sich um nichtschützbare Flächen, muss eine Entnahme bereits jetzt möglich sein!
Der AVO sieht keine zumutbare „wolfssichere“ Zäunung ohne erhebliche Einschränkung für die Almwirtschaft. Der Geschäftsführer resümierte, dass bei Aufgabe der traditionellen Alm- und Weidewirtschaft eine Verbuschung und Wiederbewaldung eintreten würde und damit der Verlust von Biodiversität, also der einzigartigen Artenvielfalt von Flora und Fauna. Der beste Schutz gegen Wolfsübergriffe wäre die komplette Stallhaltung, die aber dem Tierwohl eindeutig entgegensteht.
Christian Nebel erklärt die rechtliche Seite
Christian Nebel vom Landratsamt Traunstein zeigte eindrücklich die rechtliche Lage zum Thema Wolf und zeigte Verständnis für die offensichtliche Unvereinbarkeit der Co-Existenz von „Wolf und Almwirtschaft“. Der Wolf gilt als geschützte Tierart in Europa mit einem strikten Tötungsverbot, es müssen die EU-rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden. Christian Nebel betonte, dass die Almwirtschaft allen am Herzen liegt und mit dem „Aktionsplan Wolf“ ein Weg gefunden werden soll. Es wird Neuland betreten, eine Entnahme des Wolfes hat es bisher in Bayern noch nicht gegeben.
Wenn die Entnahme eines Wolfes als letzte Möglichkeit bleibt, entscheidet die „Höhere Naturschutzbehörde“, die fachlichen  Einschätzungen  kommen  vom Landratsamt, LfU und der Landesanstalt für Landwirtschaft, laut Christian Nebel.
Fragen der Almbauern
Die Frage eines Almbauern, ob er verpflichtet werden kann, seine Alm einzuzäunen, beantwortete Nebel klar mit „nein“
Ein weiterer Almbauer bekundete sein Gefühl, dass der Staat gegen die Landwirte arbeitet. Er verwies auf die bereits jetzt hohe Wolfsdichte in Deutschland und verwies auf die Entnahmemöglichkeiten in Schweden.  Nebel teilte dazu mit, dass bereits von Umweltverbänden in Schweden dagegen geklagt wird und sah für die örtlichen Probleme hohen Ermittlungsaufwand, aber damit auch eine Lösungsmöglichkeit.
Bürgermeister bezieht Stellung
Bürgermeister Josef Loferer fand zu dem Thema klare Worte:
Er meinte, wenn das LfU eine Möglichkeit zur Co-Existenz zwischen Almbauer und Wolf sieht, dann muss auch gesagt werden „Wie“. Wir stehen vor einer Rudelbildung von Wölfen und die Politik muss Stellung beziehen, wo die Reise hingeht. Es gibt eine Menge offene Fragen, wie „wer erschießt die vom Wolf verletzten Tiere“, „woher soll das mehr benötigte Personal kommen, wenn die Kälber nachts eingestallt werden müssen?“. Loferer meinte, dass die Almwirtschaft kurz vor einer Wende steht, was auch den Tourismus hart treffen würde, wenn die Almen nicht mehr bewirtschaftet werden und zuwachsen. „in dieser Kulturlandschaft steckt jahrhundertelange Knochenarbeit“ schloss er.
Erfahrungen mit der Wolfsanwesenheit
Almbauer Hannes Hörterer schilderte eindrücklich, wie –offensichtlich durch die Anwesenheit des Wolfes- seine Kälber in totaler Panik durchgegangen sind und fast nicht mehr zu beruhigen waren. Weiter beklagte er, dass die Bauern immer in der Beweisschuld stehen. Die 40 Wildkameras werden nur schleppend ausgewertet und das, obwohl es gerade jetzt hilfreich wäre, liegt der Turnus von Anfang Mai, erst wieder im August.
Bürgermeister Ludwig Entfellner (Unterwössen) wies darauf hin, dass es ein Fehler wäre, wenn das Problem nur auf die Förderung reduziert werde. Es sollte versucht werden Allianzen zu bilden mit den Politikern und der Bevölkerung. Dem stimmte Moderator Georg Hacher zu, und sah auch ein gesellschaftliches Problem, dem mit mehr Aufklärung und Information begegnet werden sollte.
Ähnlich äußerte sich Maria Stöberl, Geschäftsführerin des Verbandes der Forstberechtigten im Chiemgau, sie befürwortete die Herabsetzung des Schutzstatus des Wolfes und will dafür die Landräte und Bürgermeister ins Boot holen.
Martin Stief vom „Netzwerk große Beutegreifer“ wollte klar stellen, dass nicht jeder Angriff von einem Wolf kommt, meist konnte ein Hund nachgewiesen werden.
Abschließend erklärte Georg Hacher, dass diese Veranstaltung nur der Information dienen sollte und es final kein „richtig oder falsch“ geben kann.  wun

Fotos Sybilla Wunderlich

 

v.l. Hans Stöckl, Mitte Georg Hacher, Christian Nebel


Kühe im Almgebiet Wuhrstein Alm, diese Bilder sind gefährdet

Sybilla Wunderlich (wun), Maisbachweg 4, 83259 Schleching, Tel. 08649-9869273, Sybilla.Wunderlich@t-online.de
07. August 2020