Das Elektrizitätswerk Schleching feiert 100 jähriges Bestehen

Schleching – Vor 100 Jahren hatte kein Elektrizitätsunternehmen Interesse ein abgelegenes Tal ohne größere Gewerbe und Handelfirmen mit Strom zu versorgen. Aber zum Glück hatte Schleching den Dalsenbach mit Gefälle für die Stromerzeugung.

In Zeiten der weltweiten Klima-Debatten beweist ein kleines Dorf im Achental, dass dort schon vor 100 Jahren Menschen lebten, die die älteste Form der regenerativen Energienutzung –nämlich die Wasserkraft- erkannten.

Das würdigte auch Pfarrer Straßer, der mit Diakon Erik Oberhorner einen Festgottesdienst abhielt  zur Erinnerung an die 73 Gründungsmitglieder der Elektrizitätsgenossenschaft vom 21. September 1919, die „den Mut, die Kraft und die Motivation hatten, das anzupacken“. Die Schlechinger Musikkapelle spielte auf der Empore und gab der Messe einen festlichen Rahmen. Zum Abschluss wurde die „Bayernhymne“ gespielt „weil Bayern so ein wunderschönes Land ist“ stimmt Pfarrer Straßer zu.

Nach dem Kirchenbesuch waren die Bürger eingeladen zu einer gemeinsamen Feier im Landgasthof „Zur Post“. Vorstand Jakob Riedelsperger zog einen interessanten Spannungsbogen über die letzten 100 Jahre:

 

Heute kann sich kein junger Mensch vorstellen, wie es ist ohne Strom und Licht

Die Entscheidung zur Gründung einer  eigenen Elektrizitätsgenossenschaft brachte der Bevölkerung von Schleching im Ergebnis große Erleichterungen. In erster Linie das auch bei Dunkelheit zur Verfügung stehende Licht, aber auch die Erleichterung für die Bauern, die jetzt Maschinen zur Bewältigung der Arbeiten im Hof, im Stall und auf dem Feld  einsetzen konnten. 

So wie heute mussten auch damals diverse Planungsunterlagen  zur Genehmigung eingereicht werden. Die endgültige Genehmigung erteilte das Bezirksamt Traunstein am 2. Mai 1923.

Es begann in Mühlau, wo Jakob Wimmer eine alte Getreide- und Ölmühle mit Wasserrecht betrieb, er plante den Bau eines Sägewerkes mit Elektrobetrieb, durch den Teilverkauf des eigenen Grundstückes an die neue Genossenschaft, konnte das Kraftwerksgebäude neben dem Sägewerk errichtet werden.

Die Schlüsselrolle hatte hier der Dalsenbach, etwa 1.300 Meter oberhalb  des Sägewerks. Es mussten Rohrleitungen verlegt werden, die einen Höhenunterschied von 118 Metern bis zum Sägewerk überwanden. Trotz der sicher sehr schwierigen Baumaßnahmen ging der Leitungsnetzausbau zügig voran und im Jahr 1923 waren fast alle Häuser angeschlossen. Nun drückte die hohe Schuldenlast für die durchgeführten Arbeiten, aber da kam in den politisch schwierigen Zeiten der Weimarer Republik die Geldentwertung „zu Hilfe“, die es möglich machte, die Schulden spielend zu bezahlen.

Nach dem 2. Weltkrieg stieg der Bedarf an Strom erheblich, es kamen damals viele Heimatvertriebene, die Bautätigkeit stieg und  immer mehr Landmaschinen und Haushaltsgeräte kamen zum Einsatz.

Das Alpbachwerk wird gebaut

Die Genossenschaft entschied  1947 das Gefälle des Haidenholzer Alpbachs (Floderer Bach) zur Stromerzeugung  zu nutzen und das Alpbachwerk wurde in Schleching gebaut. Nach vielen Schwierigkeiten erfolgte am 22. September 1951 der erste Spatenstich. Es war eine Mammutaufgabe nicht nur aus finanzieller Sicht (380.000 DM). In drei Jahren wurden in mühsamer Handarbeit am Floderbach zwischen Blasialm und Haidenholzer Steigstatt eine Staumauer für das Einlaufbecken und ein Stausee geschaffen. Außerdem wurde ohne maschinelle Hilfe ein Graben für die Leitungsrohre vom Einlaufbecken zum Stausee von zirka 200 Meter und weiter zum Alpbachwehr mit einer Länge von 2.162 Metern und einem Höhenunterschied von 440 Metern hergestellt. Im Jahr 1955 war der Bau des Alpbachwerkes abgeschlossen. 

 Hartmut Rihl berichtet von der Gründerzeit

Schlechings Heimatpfleger Hartmut Rihl beeindruckte die Besucher mit einem genau recherchierten Vortrag über den Schlechinger Pfarrer Johann Nepomuk Wörnzhofer, der zugleich auch der Geschäftsführer (damals „Rechner“) bei der Gründung der Genossenschaft war. „Er war ein fähiger, vorausschauender, aktiver, initiativer und couragierter Seelsorger“ berichtete Rihl. Er konnte den Pfarrer nach Unterlagen zitieren, über seine Leistungen und Verdienste berichten und so ein anschauliches Bild der damaligen Zeit zeigen.

Fritz Irlacher berichtet Anekdoten

Altbürgermeister Fritz Irlacher erinnerte sich als Zeitzeuge noch an diverse Anekdoten aus der Zeit des Baus des Alpbachwerkes.  Er war ein Bub von zwölf Jahren beim Bau des Werkes, später als junger Mann mit 26 Jahren musste er dann für ein Jahr  von Haus zu Haus, den Strom ablesen und das Geld noch in bar kassieren.

Auch der 90jährige Sepp Plattner kam vorbei

Vorstand Jakob Riedelsperger freute sich besonders, dass er auch Sepp Plattner zu dem Fest begrüßen konnte, der ab 1955 als Werksleiter fungierte und große Leistungen vollbracht hat. Als Überraschung konnte er dem Sepp sein damaliges Bewerbungsschreiben für den Posten vorlegen.

 

Bürgermeister Josef Loferer sprach seinen Dank aus

 

„Heute kann sich keiner mehr vorstellen, wie vor 100 Jahren alles in Handarbeit geleistet werden musste“ sagte Bürgermeister Josef Loferer und hat große Achtung vor der Pionierleistung, er  sprach einen Dank und ein  „vergelts Gott“ aus. Für die Zukunft wünschte er der Genossenschaft, dass alle Tätigkeiten auf fruchtbaren Boden fallen.

Schnelldurchlauf der letzten 50 Jahre

Jakob Riedelsperger ließ die nächsten Jahre in der Entwicklung im Schnelldurchlauf Revue passieren. (Eine detaillierte Darstellung mit interessanten Details stehen in einer Festschrift).  Ein großer Einschnitt war das Jahr 1971 als das Leitungsnetz an die Isar Amper Werke verkauft wurde.

„Als einen Glücksfall für die Genossenschaft“ bezeichnete der Vorstand das Stromeinspeisungsgesetz aus dem Jahr 1991. Jetzt konnten höhere Gewinne eingefahren werden und die Modernisierung des Mühlauer Werks in Angriff genommen werden.

Die letzten zehn Jahre

Die letzten zehn Jahre zeigen, dass auch der jetzige Vorstand (Jakob Riedelsperger), Aufsichtsrat (Wolfgang Mix) und Werksleiter (Robert Glück) mit viel Aufwand, Mühe,  Geduld und Umsicht das Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft leiten. So wurde 2010 nach Einführung des EEG-Gesetzes das Dalsenwerk  ausgebaut  sowie der Alpbach renaturiert , eine Kernsanierung im Mühlauer Werk und im Alpbachwerk durchgeführt, um nur die größten Maßnahmen zu nennen, insgesamt wurden in den letzten zehn Jahren Investitionen von 750.000 Euro geleistet.

Da auch jetzt die aktiven Mitglieder der Genossenschaft ehrenamtlich tätig sind, kann man den Geist, der schon vor 100 Jahren in Schleching herrschte, auch heute hier wieder  finden!

 Da der Anlass dieser Feier ein fröhlicher war, spielte die Musikkapelle Schleching ordentlich auf,  die Gäste waren bester Stimmung und  genossen die gute Bewirtung.    wun

 

Foto Uwe Wunderlich

die große Schar der Genossen der ersten Stunde

links Jakob Riedelsperger daneben Hartmut Rihl

Sybilla Wunderlich (wun), Maisbachweg 4, 83259 Schleching, Tel. 08649-9869273, Sybilla.Wunderlich@t-online.de

28. Oktober 2019